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Trotz Umweltzonen: Schiffs- und Flugverkehr kaum Einhalt geboten

Der Flug- und Schiffsverkehr in Europa hat ein enormes Volumen, sowohl in der Tourismus- als auch der Logistikbranche. An den (Flug-) Häfen Europas gibt es daher immer mehr Umweltzonen und Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität. Doch betroffen sind meist nur die Autos.

Die Kreuzfahrtschiffe im Hafen von Marseille stehen seit Monaten still – nicht ganz. Zwar ist die Branche unter der Corona-Pandemie eingebrochen, doch um die Riesen in der Bucht instand zu halten - auch ohne Gäste – laufen ihre Generatoren Tag ein Tag aus. Eine Bürgerinitiative stemmt sich nun dagegen, dass die Kolosse die Bucht versperren und die Abgase ihrer Heizöl- und Dieselgeneratoren in die mediterrane Hafenluft pusten.
Die Bürger dort, und andernorts fordern, dass sich mehr tut, an den (Flug-) Häfen Europas. In der Tat nehmen die Maßnahmen gegen Luftverschmutzung auch von politischer Seite zu. Und dies zu Recht. Es ist mittlerweile bekannt, dass zum Beispiel der Luftverkehr zum Großteil an der Luftverschmutzung durch Ultrafeinstaub beteiligt ist. Ultrafeinstaub ist mit einer Größe von weniger als 100 Nanometer extrem klein. Daher kann er weit in die Lunge eindringen und von dort ins Blut gelangen und in jegliche Organe wie das Herz und Hirn diffundieren.

Jüngste Untersuchungen des Nationalen Instituts für Volksgesundheit und Umwelt (RIVM) der Niederlande zeigen zum Beispiel, dass der Flugverkehr etwa 50% des Ultrafeinstaubs in 200 Meter Entfernung von der Start- und Landebahn verursacht. In 5 Kilometern Entfernung liegt der Anteil immer noch bei 25%. Eine Studie des Umweltbundesamt (UBA) zeigt leicht andere Zahlen, aber einen ähnlichen Trend: Flugzeuge sollen in 1 Kilometer Entfernung des Frankfurter Flughafens einen Anteil von 25% an der Luftverschmutzung mit ultrafeinen Partikeln haben. Nur etwa 5% kommen dort dem UBA zufolge dem Straßenverkehr zu schulden. Da nicht nur Start und Landung, sondern auch die Bodenbewegung der Flugzeuge einen großen Anteil an der Belastung hat, könnten elektrische Schleppfahrzeuge die Flugzeuge am Boden bewegen, um die Emissionen zu verringern. Eine Reduktion des im Kerosin enthaltenen Schwefels und eine Verschärfung der emissionsabhängigen Landeentgelte könnten ebenfalls helfen.

Bürger, die am Stuttgarter Flughafen die Emissionen bei Landung eines Flugzeugs maßen, stellten Werte zwischen 250.000 und bis deutlich über eine Millionen Partikel pro Kubikzentimeter fest. Normalerweise betrugen die Werte nur 6.000 bis 15.000 Partikel pro Kubikzentimeter. Der Bürgerverein Freising in Bayern sieht die Pandemie als Chance, die Nullwerte bei fehlendem Flugverkehr am Flughafen in München festzustellen. So würde man endlich wissen, wie groß der Anteil der Flugzeuge an der Belastung tatsächlich ist, wenn diese nach der Pandemie wieder in die Höhe schnellt.

Am Flughafen in Amsterdam, den Niederlanden, sollen die Emissionen reduziert werden. Es geht aber nicht um die Flugzeuge, sondern die Fahrzeuge vor dem Flughafen. Ab Juni dieses Jahres sollen daher nur noch E-Taxis, mit Ausnahme von Großraumtaxis, am Taxistand vor der Ankunftshalle erlaubt sein. Alle offiziellen Taxis des Flughafens, an der Zahl mehr als 700, sind bereits emissionsfrei. Außerdem will der Flughafen bis 2030 vollständig emissionsfrei sein. Daher hat er sich mit der niederländischen Bahn NS und Prorail zusammengetan, um die Anbindung mit grünen Methoden voranzubringen. Auch die größte Elektrobusflotte Europas hat der Flughafen bereits. Die 100 Connexion Busse sind seit März 2018 in und um Schiphol im Einsatz. Die Emissionen auf dem Rollfeld werden aber nicht beachtet.

Ebenso wie an Flughäfen, tragen die Schiffe in den europäischen Häfen stark zur Luftverschmutzung bei. Hieran sind Schweröl und Diesel Schuld.

Am Hamburger Hafen ist die Luft nach Messungen des NABU nur knapp unter den Grenzwerten. Zwar gibt es in Hamburg keine normale Umweltzone, die Stickoxidbelastung soll aber durch Dieselfahrverbote in einigen Straßen reduziert werden. Laut des Luftreinhalteplans von 2017 sind 39% der Stickoxidbelastung in Hamburg aber gar nicht den Diesel-Fahrzeugen zuzuschreiben, sondern auf den Schiffsverkehr zurückzuführen. Und die Emissionen des Hafens selbst sind noch gar nicht in diesen Berechnungen enthalten.

Auch in Rotterdam, am größten Hafen Europas, haben es Fahrzeuge zunehmend schwerer. Eine Verschärfung wie in anderen Umweltzonen der Niederlande, wird es zwar nicht geben. Schon jetzt lässt die Umweltzone am Hafen in Rotterdam Maasvlakte aber nur noch Lkw über 3,5 Tonnen mit Euro-Norm 6 zu. Zwar betrifft die Zone nicht den gesamten Hafen von Rotterdam, über den im Jahr 2018 fast 470 Millionen Tonnen Güter transportiert wurden. Doch die Maasvlakte hat mit sieben Hafenbecken einen enormen Anteil am Transport.

Häufig werden Emissionen also nicht bei Flugzeugen oder Schiffen, sondern den Fahrzeugen reduziert. Immerhin, 2018 wurde im Rotterdamer Hafen mit der Jacques Saade erstmals ein mit Flüssiggas angetriebener Containerriese willkommen geheißen. Die französische Rederei CMA-CGM möchte in den nächsten 2 Jahren 20 solcher Kolosse in Betrieb nehmen. Die Firmen Vopak und Gasunie haben einen Terminal für Flüssiggas eröffnet. 9 Tankerschiffe können die Riesen nun mit Flüssiggas versorgen. Die Nutzung des Gases hat sich in den letzten 2 Jahren wohl verzehnfacht. Die meisten Schiffe fahren jedoch weiterhin mit Heizöl. Doch auch auf der regulatorischen Seite tut sich etwas: Die internationalen Schifffahrtsorganisation der Vereinten Nationen IMO hat die Regeln hinsichtlich des Öls verschärft. Mit stark schwefelhaltigem Schweröl zu fahren ist nur noch erlaub, wenn die Abgase in den Schornsteinen gefiltert werden. Die Alternativen sind Heizöl mit weniger Schwefel, Diesel - oder eben Flüssiggas. Am Rotterdamer Hafen gibt es mittlerweile außerdem ein Brennstoffzellenfahrzeug, das mit Containern beladene Auflieger transportiert.

Zurück zu den Bürgern in Marseille: Obwohl es eine temporäre Umweltzone in Marseille gibt, hält diese die Kreuzfahrtschiffe natürlich nicht davon ab, im Hafen der Mittelmeer-Stadt zu parken. Sollte die Zone aktiviert werden, würde dies die auto-fahrenden Bürger der Stadt betreffen, nicht aber die schwimmenden Hotels, die die Bürger von einem Sommerurlaub in weiter Ferne träumen lassen. Ab Ende des Jahres soll es in Marseille dann sogar eine permanente Umweltzone geben. Diese würde zwar einige Fahrzeuge verbieten, für saubere Luft könnte sie aber nicht sorgen, wenn weiterhin die Schiffe im Hafen liegen. Ein Schiff am Liegeplatz erzeugt übrigens etwa so viele Emissionen wie 10.000 bis 30.000 Fahrzeuge. Wenn es angetrieben wird, sind es noch einmal 5- bis 10-mal so viele.

Es tut sich also viel zu wenig in der Flug- und Schiffsindustrie beziehungsweise der Politik, die diese reguliert. Bisher müssen die Autofahrer die Schadstoffbelastung der Kolosse ausbügeln, und leiden in den anliegenden Gebieten der (Flug-) Häfen meist selbst als Anwohner unter der Luftverschmutzung. Sowohl die Umweltzonen in der Nähe der (Flug-) Häfen und anderswo, als auch die Anforderungen an neue Fahrzeuge werden immer weiter verschärft. Die Transport- und Tourismusbranche zu Wasser und zu Luft wird nicht in die Pflicht genommen. Dies könnte zum Beispiel durch Emissionsstandards und Umweltzonen für Flugzeuge und Schiffe möglich sein.

Die Menschen in Marseille sind symbolisch für diese Ungerechtigkeit, in der sie eine Umweltzone vor die Tür gesetzt bekommen, in der alte Fahrzeuge bald permanent nicht mehr einfahren dürfen. Doch die schwimmenden Kolosse dümpeln weiter in ihrem Hafen, und vermiesen dort Luft und Aussicht.