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Lärm - mehr als nur eine Belastung

Ein Spaziergang im Wald, in dem nur das Zwitschern der Vögel und Rascheln der Blätter im Wind zu hören ist – ein beruhigendes Erlebnis. Denn es gibt uns die Möglichkeit den lauten Alltag um uns herum zu vergessen. Doch durch die stetig wachsenden Städte, die Zunahme des Verkehrs und die Verdichtung des Wohnraumes sind wir in der Realität fast dauerhaft von negativ wahrgenommenem Schall, kurz Lärm, umgeben. Geräusche die kurzfristig enorme Lautstärke annehmen, verursachen meist akute Verletzungen im Innenohr, wie z.B. das Platzen des Trommelfells. Dauerhafter Lärm, ausgelöst z.B. durch Straßenverkehr, kann hingegen die verschiedensten, langfristige physischen, sowie psychische Gesundheitsschäden verursachen (13). Und obwohl Lärm eindeutig als Gesundheitsrisiko von der EU und auch der WHO identifiziert sind (10, 12), befinden sich rechtliche Grundlage in vielen EU-Ländern noch am Anfang und bestehende Gesetze werden häufig nur mit geringer Priorität durchgesetzt (10).

Das menschliche Gehirn kann störende Einflüsse wie Lärm teilweise ausblenden. Dadurch fällt uns dieser dauerhafte Einfluss kaum noch bewusst auf. Trotzdem nehmen wir die Störung unterbewusst über das autonome Nervensystem wahr (6). Als Reaktion hierzu schüttet der Körper Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol aus und versetzt unseren Körper in Alarmbereitschaft. Bei unseren Vorfahren sorgten diese Hormone in brenzlichen Situationen dafür, dass die Aufmerksamkeit gesteigert wurde und sowohl Muskel- als auch Gehirnfunktionen voll ausgeschöpft werden konnten (6). Unsere Vorfahren konnten somit schneller auf Gefahren reagieren. Dieser Zustand trat zeitlich begrenzt auf, wenn akut Gefahr drohte, und war evolutionär gesehen natürlich von Vorteil. Unterbewusst sind wir heute unter Einfluss von Lärm also immer noch auf der Lauer, bereit jeden Augenblick in den Kampf zu ziehen oder die Flucht zu ergreifen.  

Diese heutzutage fast dauerhaft anhaltende Stress-Belastung kann zu Nervosität und Angespanntheit führen. Sie beeinflusst unsere Konzentration sowie unser Leistungsvermögen, macht uns leicht reizbar und unruhig. In schlimmen Fällen führt die Lärmstörung zu Aggressivität und kann Angstzustände auslösen (13). Vor allem die tagsüber wahrgenommene Lärmbelästigung wirkt sich verstärkt auf den Gemütszustand aus und kann weitreichende psychische Schädigung verursachen (5). Lässt die Ausschüttung der Stresshormone in Momenten der Ruhe nach, leidet der Körper unter Müdigkeit und Niedergeschlagenheit (13). In Studien mit Schulkindern wurde festgestellt, dass sich die Lärmbelästigung negativ auf ihre Motivation auswirkte und dass sowohl ihr Leseverständnis also auch ihr Langzeitgedächtnis beeinträchtigt waren (1). In den Niederlanden wurde gezeigt, dass Lärm von Straßen- und Schienenverkehr verstärkt Depressionen in sozial schwächeren Schichten auslösen kann (1). Auch eine Studie in Southampton, England, fand, dass sozial schwächere Mitglieder der Bevölkerung meist weniger Zugang zu ruhigen Gebieten hatten, und daher stärker unter den Folgen der Lärmbelästigung litten. Ein Link zwischen sozio-ökonomischem Status und der gesundheitlichen Auswirkung von Lärm konnte allerdings in anderen Studien nicht bestätigt werden. Ein Grund ist wohl, dass Innenstädte und Gegenden mit guter Anbindung generell auch von sozial starken Gesellschaftsschichten als favorisierter Lebensraum gesehen werden (1).

Da das autonome Nervensystem nicht bewusst gesteuert wird, reagiert unser Körper auch nachts auf die Lärmbelästigung (6). Langfristig kann dieser in der Ruhephase des Körpers wahrgenommene Stress gravierende physische Probleme auslösen und zum Beispiel das Herz-Kreislauf-System sowie den Blutdruck negativ beeinflussen (6). Forscher einer Studie in Berlin fanden, dass vorwiegend bei älteren Menschen ein nahezu doppelt so hohes Risiko bestand, wegen erhöhtem Blutdruck in Behandlung zu sein, wenn diese nachts einer Lautstärke von über 55 dB ausgesetzt waren, verglichen zu jenen, bei denen die Lautstärke weniger als 50 dB betrug (6). Das Umweltbundesamts stellte fest, dass vor allem Männer, die lange an einem Ort lebten, an dem sie nachts enormen Lärmbedingungen ausgesetzt waren, vermehrt von Herz-Kreislauf-Erkrankungen betroffen waren (3). Auch laut einer dänischen Studie war Lärm eindeutig mit einem höheren Herzinfarktrisiko verknüpft (9). Bei Forschungen des Umweltbundesamtes in Bremen war Lärmbelästigung mit dem vermehrten Auftreten von bestimmten Krebsarten, wie Leukämie und Brustkrebs bei Frauen assoziiert (7). Eine weitere Studie in Berlin stellte einen Zusammenhang von Lärmbelästigung und Stoffwechselproblemen sowie der Anfälligkeit des Immunsystems fest (5). Eine Schweizer Studie bezüglich der nächtlichen Belastung ergab, dass diese bereits ab einem Wert von 40 dB erhörte Herz-Kreislauf-Risiken mit sich brachte. Eine Untersuchung am Flughafen Köln/Bonn bezüglich der Auswirkungen von nächtlichem Fluglärm zog ähnliche Schlüsse (1).

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat daher nächtlichen Flugverkehr mit über 40 dB als gesundheitsschädlich eingestuft (6). Für Straßenlärm ist die Empfehlung ein Maximum von 53 dB am Tag und höchstens 45 dB in der Nacht (12). Diese werden jedoch meist überschritten: In Europa sind ca. 100 mio. Menschen regelmäßig Straßenverkehrslärm von über 55 dB ausgesetzt. Hierbei sind 70 mio. EU-Bürger innerhalb von Ballungsräumen betroffen, die restlichen 30 mio. in ländlichen Gebieten, meist an Hauptverkehrsstraßen (10).  Hinzu kommen Lärmquellen wie Schienen- und Flugverkehr und die Industrie, die ca. weitere 20 mio. Menschen betreffen (10). Somit lebt ca. jeder fünfte Europäer in Gebieten mit gesundheitsschädlichen Lärmpegeln (1). Doch selbst im Büro, in Bus und Bahn, und Zuhause, sowie in der Nacht sind viele Menschen einem hohen Geräuschpegel ausgesetzt (11). Im Jahr 2012 fühlten sich mehr als die Hälfte, nämlich ca. 54% der Befragten einer repräsentativen Studie durch Straßenverkehr an Ihrem Wohnort belästigt. Auch Schienen- und Flugverkehr (33% und 20% der Befragten) wurden als störend empfunden (2). Daraus resultieren gravierende gesundheitliche Folgen: Für das Jahr 1999 wurden bereits ca. 4.000 Herzinfarkte in Deutschland auf Lärmeinflüsse zurückgeführt (4). In neueren Berechnungen gibt die WHO an, dass jedes Jahr allein in Westeuropa über 1 mio. Lebensjahre durch verkehrsbezogene Lärmbelästigung verloren gehen. Hier mit einbezogen sind auch weniger extreme Leiden wie Schlafstörungen und Aggressivität, aber immerhin 61.000 Lebensjahre entfallen auf koronare Herzkrankheit, also die Verkalkung der Herzkranzgefäße, die zu Sauerstoffmangel in Teilen des Herzens führen und somit einen Herzinfarkt auslösen kann (12). Dies macht Lärmbelästigung nach Luftverschmutzung zur zweitgrößten Umweltbelastung in Westeuropa (1, 12).

Die Umgebungslärm-Richtlinie 2002/49/EG der Europäischen Union schafft einen gesetzlichen Rahmen zur Bekämpfung dieser Belastung, allerdings legt die Richtlinie keine EU-weiten Grenzwerte zum Lärmschutz fest. Nur wenige EU-Staaten haben nationale Grenzwerte festgelegt (10). Immerhin, die Richtlinie verlangt das Erstellen von sogenannten Lärmkarten, die das Problem auf lokaler und regionaler Ebene erkennen und auf die nun Aktionspläne aufgebaut werden können. Da Lärmschutz allerdings in vielen EU-Mitgliedsstaaten nicht eindeutig Priorität hat, verzögert sich die Erstellung der Konzepte zur Bekämpfung der Lärmbelästigung (10). Trotzdem werden mehr und mehr lokale Maßnahmen ergriffen, um das Problem zu lösen. So wurden in Österreich kürzlich erste Lärmschutzzonen eingerichtet, in denen Fahrer mit zu lauten Fahrzeugen geblitzt werden. In Deutschland und Schweiz findet dieses Konzept ebenfalls Zustimmung. Auch grüne Rückzugsorte werden mehr und mehr in europäischen Städten angelegt (10). Diese reinigen die Luft, reduzieren Hitze in der Stadt und leisten Schutz vor Überflutung. Doch auch belegen Studien, dass urbane Begrünung dem negativen psychologischen Effekt von Lärmbelästigung entgegenwirken kann (8). Trotzdem wird es durch die den Trend zur Urbanisierung und der damit einhergehenden Expansion von Ballungszentren und Zunahme von Fahrzeugen auf den Straßen nicht leichter werden, die Lärmbelästigung zu reduzieren. Sicher ist, anhand der eindeutigen gesundheitsschädlichen Folgen und der Menge von Menschen, die dieser Belastung ausgesetzt sind, wird es immer wichtiger, diesem Umweltproblem vermehrt Aufmerksamkeit zu schenken.

Quellen
  1.  European Environment Agency (2020). Healthy environment, healthy lives: how the environment influences health and well-being in Europe. 
  2. Weinandy, R. (2013). Schwerpunkte 2013 – Jahrespublikation des Umweltbundesamtes; Kapitel Lärm.
  3. Babisch, W. Umweltbundesamt. (2004). Die NaRoMI-Studie - Noise and Risk of Myocardial Infarction.
  4. Babisch, W. Umweltbundesamt. (2006). Transportation Noise and Cardiovascular Risk.
  5. Maschke, C. et al. (2003). Epidemiologische Untersuchung zum Einfluss von Lärmstress auf das Immunsystem und die Entstehung von Arteriosklerose.
  6. Umweltbundesamt (2015). Stressreaktionen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/laermwirkung/stressreaktionen-herz-kreislauf-erkrankungen#auswirkungen-des-larms-auf-die-gesundheit
  7. Greiser, E. Greiser, C. Umweltbundesamt. (2015). Umgebungslärm und Gesundheit am Beispiel Bremen.
  8. Dzhambov, A.M, Dimitrova, D. (2014): Urban green spaces' effectiveness as a psychological buffer for the negative health impact of noise pollution: A systematic review
  9. Roswall, N et al. (2017). Long-term residential road traffic noise and NO2 exposure in relation to risk of incident myocardial infarction – A Danish cohort study
  10. Europäische Kommission (2017). Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Durchführung der Richtlinie über Umgebungslärm gemäß Artikel 11 der Richtlinie 2002/49/EG.
  11. Yoa, C.M.K.L. et al (2017). Noise exposure while commuting in Toronto - a study of personal and public transportation in Toronto