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Deutschland: 8 Städte schaffen Umweltzonen ab?!

Weil die Luft sauberer wurde, könnten Umweltzonen aus einigen Städten und Gemeinden Baden-Württembergs bald verschwinden. Doch stoßen die Pläne der Landesregierung auf scharfe Kritik – von Kommunalpolitikern, Umweltverbänden und Bürgern. Denn trotzt der beobachteten Wertesenkung, könnte die Abschaffung der Umweltzonen ein voreiliger Schritt sein.

Im Vergleich zu anderen Ländern sind die Emissionsvorschriften in Deutschland schon sehr fahrzeugfreundlich. Alle Benziner mit Euro1, sowie alle Diesel mit Euro4 oder Euro3 mit Partikelfilter, erhalten schließlich eine grüne Umweltplakette, welcher die Einfahrt in die Umweltzonen garantiert. Gleichzeitig seien kontinuierliche Verschärfungen der Regeln im Ausland zu beobachten. Währenddessen fängt sich ein gegenläufiger Trend in Deutschland abzuzeichnen - mit Städten, die sogar beginnen, Abschaffungen einzuplanen. 

Nach einer im letzten Februar angekündigten Überprüfung der Emissionslage habe das Regierungspräsidium von Baden-Württemberg vor einigen Tagen nämlich die Abschaffung von insgesamt 8 Umweltzonen im kommenden Frühjahr verkündet. Darunter zählen die Städte Karlsruhe, Heidelberg und Schwäbisch Gmünd, wo laut Gutachten der Landesanstalt für Umwelt (LUBW) schon jahrelang die Schadstoffmessungen unter den zulässigen Grenzwerten liegen. So weit haben sich die Feinstaub- und Stickstoffwerte in den vergangenen 14 Jahren nach der Einführung der ersten Umweltzonen verbessert, dass es nun dem Landesverkehrsministerium möglich ist, solche Fahrverbote für Fahrzeuge ohne grüne Plakette zurückzuziehen. Ein Verbot, welches aktuell laut Abrechnungen des Landes ungefähr ein bis zwei Prozent der Fahrzeuge betrifft. Nach mehreren Jahren ohne jegliche Grenzüberschreitungen zu messen, so BW-Verkehrsminister Winfried Hermann, „sei es angebracht, sie abzuschaffen“. 

Denn in den 8 Städten, die aktuell zur Disposition für die Abschaffung stehen, sei keine erneute Überschreitung der Grenzwerte nach Einschätzung der Behörden zu erwarten. Hingegen verweist das Verkehrsministerium auf Balingen – wo auch nach der Aufhebung der Umweltzone die Schadstoffwerte weiter gesunken seien. Eine äußerst positive Verbesserung der Luftqualität, die nach Angaben der Gemeinde auf einem breiten Spektrum von Maßnahmen – wie etwa Tempolimits und Umgehungsstraßen - zurückzuführen ist, die als Nachfolger der nunmehr inaktiven Umweltzone eingeführt wurden. Andere Städte wie etwa das bayerische Bayreuth, welche noch keine Umweltzone kannte, wolle stattdessen Autos mit geraden Nummernschildern an geraden Tagen fahren lassen, und an ungeraden Tagen dementsprechend die anderen Autos. Ein auf Autokennzeichen basierte alternierendes System, um den Verkehrsfluss zu halbieren und somit schädliche Abgasen erheblich zu reduzieren. Würden solche Maßnahmen auch in Karlsruhe und in den anderen Städten ergriffen werden, wäre dann die Einhaltung der Grenzwerte in den Augen des baden-württembergischen Ministeriums auch ohne Umweltzone derzeit möglich.  

Dass dies nicht der Fall sein könnte, befürchten hingegen jedenfalls zahlreiche Lokalpolitiker und Umweltschützer. Beispielsweise hält auch der umweltpolitische SPD-Sprecher im Karlsruher Gemeinderat Anton Huber die Entscheidung des Regierungspräsidiums für keine gute Idee. Es wäre viel sinnvoller, erklärt Huber, Umweltzonen zu behalten und dadurch umweltbelastende Emissionen noch weiter zu senken. Vor allem da die weltweite Diskussion über den Ausstieg aus Verbrenner-Motoren eigentlich Baden-Württemberg, und Deutschland im Allgemeinen, wundern lassen sollte, ob die aktuellen Vorschriften doch zu locker sind.  

Von einem verfrühten Schritt sprechen auch Umweltverbände. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisiert nämlich, dass mit der Auflösung der Emissionsschutzgebiete das Bundesland das Risiko laufe, den Bürgern die falsche Botschaft zu vermitteln – und zwar dass alles in Ordnung ist, wenn in Wirklichkeit die festgelegten Klimaschutzziele noch weit entfernt liegen. Denn, obwohl weniger als zum Zeitpunkt der Durchsetzung der Umweltzonen ab 2008, werden unter anderen Kohlenstoffdioxid, Feinstaub und Stickoxid auch heutzutage weiter ausgestoßen. Das Ende der Umweltzonen, beginnenden von den acht in Baden-Württemberg, wäre dann ein Fehler, nicht nur da es erneut zur erhöhten Schadstoffbelastung führen könnte. Sondern auch weil es eine verpasste Möglichkeit wäre, noch strengere Normen einzuführen. Verschärfungen, die insbesondere im Verkehr - eine der Hauptquelle der Luftverschmutzung - unerlässlich für den Schutz der Umwelt und der Gesundheit der Bürger sind. 

Immer mehr Beschwerden werden nämlich beim Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Allein im Jahr 2021 wurden 15 Klima- und Umweltklagen von Betroffenen und Bürgeraktivisten eingereicht. Auch neulich habe eine Gruppe von Bürgern, mit der Unterstützung der Deutschen Umwelthilfe und ClientEarth, die Bundesregierung wegen des Rechts auf gesunde Luft verklagt und forderte strengere Grenzwerte zum Schutz ihrer Gesundheit. Die aktuelle Gesetzgebung reiche nachweislich nicht, um die Bevölkerung von den Gesundheitsfolgen der Umweltverschmutzung zu wahren. Sowie auch nicht schnell genug wurden die neuen Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Luftqualität in konkrete Vorschriften für Deutschland umgesetzt. Dabei gehe es zum Beispiel um empfohlene Grenzwerte, die bis zu fünfmal niedriger sind als die heutigen. Bereits unter den derzeitigen Bedingungen, die noch Umweltzonen vorsehen, verlangen die Kläger die Durchsetzung von Sofortmaßnahmen - wie etwa die Nachrüstung oder Stilllegung schmutziger Verbrenner, eine Halbierung der Anzahl von Autos auf den Straßen und der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs.  

Es sei also zu diesem Hintergrund und der Emissionslage, die dieser repräsentiert, durchaus verständlich, dass die Entscheidung Baden-Württembergs einige Umweltzonen abzuschaffen als ein voreiliger Schritt empfunden wird. Zwar können sie durch ebenfalls effektive Maßnahmen im Rahmen der Verkehrsverwaltung und der nachhaltigeren Mobilität ersetzt werden, bedeutet dies jedoch nicht, dass Umweltzonen ihren Zweck völlig erfüllt haben - und daher keine Rolle mehr dabei spielen sollten. Schließlich werden Diesel und Benziner auf alle Fälle mit dem zukünftigen europäischen Neuzulassungsverbot für Verbrennerfahrzeugen zu tun haben, sowie auch mit der steigenden Anzahl an emissionsbasierten Fahrbeschränkungen. Die Beibehaltung der Umweltzonen würde dann nicht nur positiv auf die Umwelt und die Lebensqualität der Bevölkerung auswirken. Sondern würde sie ebenso wesentlich zur schrittweisen Anpassung an die künftige Verkehrswende beitragen.