< Alle Beiträge zeigen

Keine Umweltzonen mehr in deutschen Städten?

Die Verschmutzung auf vielen deutschen Straßen hat in der Zeit der Pandemie merklich abgenommen. Das führt zum Teil zu Aufhebungen der Fahrverbote. Manch einer findet das zu früh.

In Deutschland sind in diesem Jahr erst einmal ein paar Fahrverbote vom Tisch: In Frankfurt am Main werden die geplanten Dieselfahrverbote nicht eingeführt. Denn im zweiten Jahr in Folge ist die Luft besser geworden und der Gehalt von Stickstoffdioxid (NO2) liegt jetzt unter dem Grenzwert von 40 Mikrogramm im Jahresmittel, der deutschlandweit gilt. Doch nun gibt es keinen Grund mehr für Fahrverbote, da an keiner der neuralgischen Stellen der Grenzwert überschritten wurde. Selbst in der stark verschmutzten Mainzer Landstraße sank das Jahresmittel auf knapp 39 Mikrogramm. Daher hat die hessische Umweltministerin Hinz Dieselfahrverbote in Frankfurt für nicht mehr erforderlich erklärt.

In Limburg an der Lahn wurde bereits beschlossen, das Dieselfahrverbot aufzuheben. Auf der stark befahrenen B8 wurde an allen sechs Messstationen weniger als 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid gemessen. Allerdings war es an einer Station sehr knapp mit 39,9 Mikrogramm. Doch das reicht, um die Fahrverbote zum 1. April wieder aufzuheben.

In Baden-Württemberg stehen in diesem Jahr Umweltzonen auf der Kippe: 2016 waren es noch 27 Gemeinden im Bundesland, die zu viel Stickstoffdioxid (NO2) und Feinstaub PM10 produzierten, ein Jahr später reduzierte sich diese Zahl schon auf eine einzige Stadt: Ludwigsburg, in der der Grenzwert für Stickstoffdioxid noch überschritten wurde. Jetzt soll neu beurteilt werden, ob Umweltzonen abgeschafft werden können. Die Grenzwerte für Feinstaub PM10 werden nämlich seit 2018 flächendeckend eingehalten. Geprüft werden sollen insbesondere die Zonen in folgenden Gemeinden: Heidelberg, Karlsruhe, Wendlingen, Urbach, Schwäbisch Gmünd, Schramberg, Pfinztal und Ilsfeld. Hier lagen die Werte seit 2019 unter 35 Mikrogramm pro Kubikmeter. Baden-Württembergs Verkehrsminister sieht dies als Ergebnis der durchgeführten Maßnahmen und Auflagen zur Schadstoffreduzierung. Allerdings warnt er davor, voreilig Umweltzonen aufzuheben, nämlich dort, wo die Grenzwerte nur leicht gesunken sind. An diesen Orten sei zu befürchten, dass das Fahrverbot ansonsten schnell erneut eingeführt werden muss. Allerdings gibt es auch Orte, in denen die Ergebnisse eindeutiger waren: In Ilsfeld im Kreis Heilbronn sank genauso wie in Heidelberg und Karlsruhe seit 2019 der Jahresmittelwert auf 35 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft. In Baden-Württemberg gibt es insgesamt 38 Orte, in die nur Fahrzeuge Einlass haben, die eine grüne Umweltplakette an der Heckscheibe kleben haben. Minister Hermann beziffert den Anteil von Autos im Bundesland, die noch keine grüne Plakette haben, auf nur noch auf ein bis zwei Prozent der gesamten Fahrzeugflotte. 

In Berlin sind es noch vier Straßen, die Dieselfahrzeuge nicht durchlassen: Hermannstraße, Silbersteinstraße, Leipziger Straße sowie Alt-Moabit. Doch wenn die NO2-Grenzwerte auch in diesem Jahr eingehalten werden, könnten die Verbote ganz aufgehoben werden, so der Sprecher der Umweltsenatsverwaltung Thomsen. In diesem Zusammenhang soll in der zweiten Hälfte dieses Jahres auch über weitere Schritte zur Luftreinhaltung in der Stadt beraten werden.

Doch viele warnen vor zu frühen Lockerungen. So natürlich auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH): Wenn nach der Pandemie der Verkehr wieder zunimmt, bestehe die Gefahr, dass die Werte wieder steigen und doch noch Fahrverbote eingeführt werden müssen. Das würde ein erneutes Ausrüsten der Stadt mit Schildern, Kontrolleuren und eine Informationskampagne für Autofahrer notwendig machen. Andererseits sagt die DUH selbst, dass auf ihre Initiative hin zahlreiche Verbesserungen eingeführt wurden: Weniger Fahrbahnen für Autos, mehr Fahrbahnen für Fahrräder, der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Die Senkung des Schadstoffausstoßes könnte also durchaus daher rühren und nicht nur am geringeren Verkehrsaufkommen während der Pandemie. Allerdings beweist das Beispiel Balingen, dass es nicht so kommen muss: Dort wurde die Umweltzone aufgehoben, ohne dass die Schadstoffe danach wieder anstiegen, sondern dem allgemeinen Trend entsprechend weiter sanken.

Für die Zukunft droht Autofahren jedoch weiteres Ungemach: Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat den Grenzwert von Stickstoffdioxid mittlerweile auf 10 Milligramm gesenkt. Auch die EU arbeitet bereits an der Verschärfung des Grenzwertes von 40 Milligramm im Jahresmittel. Auch der Grenzwert für Feinstaub PM10, der in der EU jetzt noch 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft beträgt, ist von der WHO gesenkt worden auf 15 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft.

Werden die WHO-Werte EU-weit übernommen, könnte das eine ganze Flut von neuen Fahrverboten bedeuten, denn keine einzige der überwachten Straßen in Deutschland hat so wenig Verschmutzung. Für diesen Fall gäbe es eine Reihe von Fahrverboten und hunderten neuen Umweltzonen in allen großen und mittleren Städten Deutschlands.