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Auch ohne Umweltzone: Hannover wird autofrei

Die Umweltzone in Hannover wird abgeschafft. Trotzdem will Hannover zur autofreien Modellstadt werden: mehr Platz für Fuß- und Radverkehr. Wer nicht auf das Auto angewiesen ist, soll dieses auch nicht mehr in die Innenstadt fahren. Die Parkplätze sollen komplett wegfallen. Autofrei: das bedeutet im Fall Hannover „nicht ein Auto zu viel in der Stadt“.

Die Deutschen tun sich schwer mit dem Umschwung auf eine moderne Mobilität weg vom Auto. Während in Barcelona Super-Blocks vorherrschen, in denen statt Autoverkehr grüne Oasen zu finden sind, in Paris immer mehr Straßen für den Autoverkehr gesperrt werden und autofreie Sonntage in viele Städten weitreichend akzeptiert sind und Städte wie London und Stockholm hohe Mautgebühren nehmen, um den Autofluss in die Stadt zu reduzieren, passiert in Deutschland kaum etwas. Die Regeln der Umweltzonen hierzulande haben sich seit Einführung der Zonen kaum geändert. Viele Autofrei-Projekte stoßen auf so große Gegenwehr aus der Bevölkerung, dass die Politik meist schnell eine Kehrtwende macht. In Berlin entsteht eine neue Autobahn mitten in das Herz der Stadt und einen Dauerparkplatz gibt es hier schon für 20 Euro pro Jahr.

Doch in Hannover tut sich etwas. Zunächst hatten Autofahrer in der niedersächsischen Landeshauptstadt wohl gejubelt. Ab Januar 2024 wird es dort keine Umweltzone mehr geben. Freie Fahrt für alle. Doch der grüne Oberbürgermeister hat andere Pläne. Er will die Stadt komplett auf den Kopf stellen.

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Stadt zum Traum für Autofahrer und -fahrerinnen wiedererrichtet. Ein sechs-spuriger Cityring und sternförmige Straßen zur Innenstadt vernetzten alle Ortsteile miteinander. Auch zwei Hochstraßen mitten durch die Innenstadt halfen den Bürgerinnen und Bürgern dem Ampelsystem in der Innenstadt aus dem Weg zu gehen und die Stadt so schnell zu durchqueren. Damals jubelte der Spiegel, dass man „mit unbeschränkter Geschwindigkeit bis zum Stadtkern preschen“ könne.

Der Grüne Oberbürgermeister Belit Onay will die Stadt nun verändern und sie „zukunfts- und menschengerecht“ machen. Sie soll zum Vorbild für andere Städte werden. Er hatte mit der autofreien Stadt bereits seinen Wahlkampf geführt und knapp gewonnen. „Autofrei“ bedeutet für ihn zwar nicht, dass generell keine Autos mehr unterwegs sind, sondern dass „kein Auto zu viel“ in der Stadt fahren soll. Menschen, die auf das Auto angewiesen sind, dürfen weiterhin fahren. Wenn insgesamt weniger Autos unterwegs sind, so sind die Menschen, die es wirklich brauchen, schneller am Ziel.

Und nicht nur bezüglich fahrender Autos will er das Stadtbild verändern. In der Innenstadt sollen die etwa 4000 Anwohner und Anwohnerinnen nur noch auf privaten Stellplätzen parken dürfen. Öffentliche Parkplätze sollen komplett abgeschafft werden. Stattdessen werden Menschen, die in die Innenstadt fahren, in Parkhäusern zum Stehen kommen. Diese sind nämlich noch lange nicht ausgelastet.

So soll mehr Platz für die Bürgerinnen und Bürger entstehen. Der Fokus soll auf dem Fuß- und Radverkehr liegen. Es sind 12 neue Fahrradrouten geplant. Zudem entstehen 5.000 neue Bike & Ride-Plätze und außerhalb der Stadt 3.000 neue Park & Ride-Plätze. Viele Ampeln sollen entfernt werden und Fahrspuren wegfallen. Überall wo sich Autos und Fuß- oder Radverkehr begegnen, soll ein Tempo von 20 oder höchstens 30 km/h gelten. Außerdem sollen mindestens 3 autofreie Superblocks nach dem Vorbild Barcelonas entstehen. Welche Viertel hierfür infrage kommen, wird noch untersucht.

Bei der Umsetzung des radikalen Plans hat Onay stark auf die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger gesetzt. Hier sah er zum Beispiel bei der Sperrung der Berliner Friedrichstraße Fehler seitens der Politik. Die Gegenwehr in Berlin war groß, weil nicht auf die Bedürfnisse der Menschen gesetzt wurde, oder deren Ängste ernst genommen wurden. Onay versucht, mit den Menschen zunächst in einen Dialog zu kommen und zu verstehen, was sich sie sich wünschen und was sie brauchen. Transparenz ist ihm wichtig, damit sich die Bürgerinnen und Bürger nicht überrannt fühlen.

Die Idee einer grünen Stadt, in der kaum Autos unterwegs sind, klingt fantastisch. Das Konzept klingt durchdacht. Aber nur solange alle Menschen komfortabel ans Ziel kommen. Ob Hannover in der Realität überzeugen kann, wenn es so weit ist, wird sich zeigen. Sollte die Umsetzung ein Erfolg werden, könnte Hannover in der Tat noch einmal eine Vorreiterstadt werden, wenn es um das Thema Auto geht.